50 Jahre Biofarm Genossenschaft – Einblicke in die Bio-Organisation

27. September 2022

Neun Männer legten im Mai 1972 den Grundstein für eine biobäuerliche Genossenschaft. Ihr Credo: Die Bio-Bauernfamilien unterstützen und den Biolandbau weiterbringen. Das gilt bis heute. Was macht sie aus, diese solide Jubilarin Biofarm? Ein Gespräch mit Präsident Hans-Ulrich Held zum 50-jährigen Bestehen.

Was macht den Erfolg von Biofarm aus?

Das Fundament, das unsere Vorgänger mit ihrer pionierhaften Aufbauarbeit legten, spielt für uns noch heute eine wichtige Rolle. Unser Herzstück bilden motivierte, innovationsfreudige Mitarbeitende, die alle am selben Strick ziehen. Wir verdanken unseren Erfolg der guten Zusammenarbeit mit unseren Produzentinnen und Produzenten, Verarbeitungsbetrieben und Partnerorganisationen. Die Kooperation mit unserem grössten Partner, Bio Partner Schweiz in Seon, entwickelt sich positiv. Alle diese Komponenten tragen dazu bei, dass wir trendige Produkte anbieten können – auch für die zunehmende Nachfrage nach vegetarischen und veganen Erzeugnissen. Tatsache ist zudem, dass die Corona-Pandemie diesen Trend angekurbelt hat.

In den 70er Jahren galten Bio-Bäuerinnen und -bauern als Idealisten und Aussenseiter. Wie kann man sich die Biofarm-Gründer vorstellen?

Das waren Bauern mit Bodenhaftung, die sich kein A für ein O vormachen liessen. Sie erachteten es als ihre primäre Aufgabe, der Natur Sorge zu tragen und gesunde Lebensmittel auf die Teller zu bringen. Umso kritischer hinterfragten sie ihre Arbeit und ihr Umfeld, in dem sie rasante Veränderungen feststellten, hin zu mehr Chemie, zu einer immer schnelleren, auf Mehrertrag ausgerichteten Produktionsweise. Diese oft als Spinner abgekanzelten Bauern informierten sich, taten sich mit Gleichgesinnten zusammen, suchten nach Austausch- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Sie fanden all das an einem Ort, der für sie zu einer Art Kultort wurde – das landwirtschaftliche Ausbildungszentrum Möschberg im Emmental. Eine eingeschworene Minderheit, die sich dort kennengelernt hatte, setzte sich mit fester Überzeugung und Pioniergeist das Ziel, den Biolandbau voranzubringen. Diese Pioniere gründeten Biofarm als Genossenschaft als eine Art bäuerliche Selbsthilfeorganisation. Dass diese Gründer trotz einiger harter Misserfolge dranblieben, immer wieder Neues wagten, dass sie sich durchkämpften und auch in schweren Zeiten ihr Ziel vor Augen behielten, das ist uns Biofarmerinnen und Biofarmern bis heute Verpflichtung.

50 Jahre hinterlassen Spuren – welche prägenden Entwicklungsschritte hat die Genossenschaft durchgemacht?

Zu den wichtigsten Meilensteinen gehört sicher das Jahr 1974, kurz nach der Gründung, als die Bio-Pioniere die Generalvertretung für die Elsässer Haushaltgetreidemühlen übernahmen. Sie stiegen damit ins Getreidegeschäft ein und lancierten – damals völlig neu – den Verkauf von Kleinpackungen. Unsere Gründer hatten bereits sehr früh eigene Anbaurichtlinien für ihre Produzenten entwickelt. Sie dienten später als Grundlage für die Erarbeitung derjenigen unseres Dachverbandes Bio Suisse. An dessen Gründung – damals unter dem Namen «Verein Schweizerischer Biologischer Landbauorganisationen» – war Biofarm 1981 mit weiteren vier Mitgliedern beteiligt. Ein weiteres, wichtiges Jahr war 1996, als unsere Genossenschaft die Funktion der ersten gesamtschweizerischen Koordinationsstelle für Bio-Knospe-Getreide übernahm. Zwei Jahre später kam als neuer Betriebszweig der Aufbau unseres Obstcenters hinzu. Prägend in der Geschichte waren auch die grosse Umstellung des gesamten Verpackungs-Designs im Jahr 2008 sowie der Beginn unserer Kooperation mit Bio Partner Schweiz 2019.

Meilensteine aus 50 Jahren

  • 1972 – Gründung in Herzogenbuchsee BE
  • 1974 – Übernahme Generalvertretung der Elsässer Getreidemühlen für Haushalte
  • 1976 – Erste Kurse für Kochen und Backen mit Vollkorn in Langenthal BE
  • 1978 – Einzug ins ehemalige Sekundarschulhaus von Kleindietwil BE
  • 1980 – Biofarm-Anbaurichtlinien dienen als Grundlage für erste Richtlinien des Schweizer Biolandbaus
  • 1981 – Gründung der VSBLO (Bio Suisse) in Basel; Biofarm-Gründungsmitglied Werner Scheidegger wird erster Päsident  
  • 1986 – Kauf des alten Schulhauses in Kleindietwil
  • 1992 – Bau des Lagergebäudes
  • 1996 – Übernahme landesweiter Aufgaben in der Biogetreidekoordination für Bio Suisse
  • 1998 – Einführung des Betriebszweiges Obstcenter
  • 2006 – Ausserordentliche GV und einschneidende personelle Veränderungen in Vorstand und Geschäftsleitung
  • 2008 – Produkte-Relaunch
  • 2017 – Neue Distributionspolitik (Zusammenarbeit mit Somona )
  • 2020 – Umsatzrekord / Projektierungskredit für Biofarm-Neubauprojekt

Sie erwähnen die Gründung von Bio Suisse. Welche Rolle hatte Biofarm damals in der Schweizer Landwirtschaft?

Wir waren in einer absoluten Pionierrolle. Gute zehn Jahre vor der Gründung unseres Dachverbands und der Marke Knospe hatten wir bereits Erfahrungen auf dem Markt sammeln können. Wir hatten eine Drehscheibenfunktion und übernahmen von den Bio-Bauernfamilien deren Produkte in einer Zeit, als Bio-Lebensmittel noch ausgesprochene Nischenerzeugnisse waren.

Und wie nimmt die Genossenschaft heute Einfluss innerhalb der Schweizer Biogemeinde?

Wir sind ein kleiner, aber ernstzunehmender Player. Viele unserer Projekte hatten Schneepflugfunktion, sie machten den Weg frei, wurden später kopiert und dann mengenmässig überholt. Ein Beispiel dafür ist unser Ölsaatenprojekt Raps. Über Jahre entwickelten wir diesen im Biolandbau höchst anspruchsvollen Anbau, tüftelten mit innovativen Bioproduzenten und Verarbeitungspartnern an Versuchen herum, bauten die Vermarktung auf. Kaum war der Anbau in einer gewissen Grössenordnung etabliert, sahen wir uns mit dem Einstieg grosser Konkurrenten ins Geschäft konfrontiert. Dennoch hat unsere bescheidene Grösse auch Positives: Wir sind agil, und wir können uns so auch schnell nach den Marktbedürfnissen ausrichten.

Heute sind Sie mit völlig anderen Marktbedingungen konfrontiert als früher. Ab den 90er Jahren stiegen die Grossverteiler in den Handel mit Bio-Produkten ein. Wie ging und geht die Genossenschaft damit um?

Diese Neuverteilung auf dem Markt haben wir sehr schmerzlich zu spüren bekommen. Doch auch sie brachte nicht nur Nachteile für uns. Der Einstieg der Grossverteiler hat den Bekanntheitsgrad der Bio-Knospe-Produkte erhöht. Davon konnten wir ebenfalls profitieren. Und heute verkaufen wir landwirtschaftliche Produkte, die in genügend grosser Menge vorhanden sind, auch an die Grossverteiler – doch nicht unter unserer eigenen Marke.

Welche Biofarm Produkte gehören zu den Rennern?

Das ist zweifellos unser Unigel. Wir haben unglaublich viel Zeit darin investiert. Aber es hat sich gelohnt. Dieses Mittel zur Verarbeitung von Konfitüre wurde in den 80er Jahren zum Verkaufsschlager, und es ist bis heute ein Hit. Der Name setzt sich zusammen aus Uni-verselles Gel-iermittel. Sehr gut laufen unsere Bio-Knuspermüesli, die Haferprodukte sowie die verschiedenen Ölsaaten und Öle. In letzter Zeit herrscht zudem ein regelrechter Boom auf unsere Hülsenfrüchte. 

Wie funktioniert Biofarm als Genossenschaft?

Wir zählen heute über 900 Genossenschaftsmitglieder und heissen grundsätzlich alle Personen willkommen. Grossen Zuwachs haben wir in den letzten Jahren auch von Konsumentinnen und Konsumenten erhalten, die uns ideell unterstützen wollen. Spezielle Aufnahmebedingungen gibt es keine, Anteilscheine können im Mindestwert von CHF 500 gezeichnet werden. Unsere Genossenschaftsmitglieder können mit Anträgen und Inputs an der Generalversammlung aktiv werden.

Zur Person

Hans-Ulrich Held (Jg.1970) ist seit 2015 Verwaltungsmitglied der Biofarm-Genossenschaft. 2019 übernahm der Meisterlandwirt von Heimiswil BE das Präsidium und den Vorsitz der Geschäftsleitung. Auf seinem Betrieb «Bio Held» gehört Bio seit vier Generationen zur Familientradition: Schon der Grossvater hatte auf Bio umgestellt, und auch der Vater lieferte das gesamte Getreide, wie Weizen und Dinkel, an Biofarm.

Erfolg und Umsatzrekorde der letzten beiden Jahre haben die Organisation wachsen lassen. Was bedeutet das für die nächsten Jahre?

Da kommen grosse Herausforderungen auf uns zu. Wir wollen unsere Mitarbeitenden fördern, die Zusammenarbeit mit unseren Produzenten, Verarbeitungsbetrieben und Partnerorganisationen weiter festigen und ausbauen. Es gilt auch, den Bio-Fachhandel zu unterstützen und ihn zu stärken. Wir befassen uns sehr intensiv mit den Infrastrukturen, denn unser mehrmals umgebauter Standort in Kleindietwil im Kanton Bern platzt definitiv aus allen Nähten. Und natürlich werden uns auch das Klima und die gesellschaftspolitischen Anliegen vermehrt beschäftigen.

Was nehmen Sie persönlich mit von den Pionieren der Gründungszeit?

Eine Vision haben und diese hartnäckig weiterverfolgen, auch wenn man damit gegen den Strom schwimmen muss. Idealismus und Geduld bewahren, damit das Feuer weiterbrennen kann. Auch in schwierigen Zeiten nie aufgeben.

Interview: Sabine Lubow, Fotos: zVg Biofarm

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